Dienstag, 30. März 2021

Gedanken zur pandemischen Gesellschaft, Teil 3. Hat die COVID-Impfung in der Steiermark ein Geschlecht?

Hat die COVID-Impfung in der Steiermark ein Geschlecht?

Die aktuellen Zahlen des Landes Steiermark zu den Impfungen im Bundesland differenzieren nicht nach Geschlecht:

Sehr wohl aber spielt der Faktor Alter in den Statistiken und politischen sowie fachlichen Debatten eine bedeutende Rolle. Mit Verweis auf einen Erlass des Gesundheitsministeriums seien nun zuerst die Menschen über 65 zu impfen und die Impfungen von Berufsgruppen zu stoppen, so die steirische Impfkoordination.

Dass der Impfplan des Bundesministeriums für Gesundheit sehr wohl das parallele Impfen anderer Personengruppen, etwas Personal im Gesundheitsbereich der Kategorie III und IV, vorsieht, „Vorausgesetzt, dass allen Personen über 65 Jahren zeitnah eine Impfung angeboten wird", wird in der Steiermark ignoriert.

Wer sind nun die Berufsgruppen, die in der Steiermark massiv zurückgereiht werden und keine Perspektive auf eine zeitnahe Impfung erhalten? Sozialarbeiter*innen, Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen in psychosozialen Einrichtungen des extramuralen Bereichs sowie in freien Praxen, auch Physiotherapeut*innen. Angesicht der aktuellen steirischen Zahlen, die zeigen, dass in den Altersgruppen 45-54 und 55-64 bereits durchaus sehr viele Menschen geimpft wurden, ist die Alters-Argumentation in der Steiermark für diese Berufsgruppen mit hohem Expositionsrisiko bzw. zahlreichen Kontakten besonders bitter.

Die im Gegensatz zu anderen Bundesländern in der Steiermark zurückgereihten Berufsgruppen verfügen über ein gemeinsames Merkmal: Es sind Berufe, in denen überwiegend bzw. mehrheitlich Frauen tätig sind: Soziale Arbeit, Psychotherapie, Psychologie, Physiotherapie...

Immer wieder wird artikuliert, wie wichtig es ist, der horizontalen Segregation am Arbeitsmarkt entgegen zu wirken, die Arbeitsbedingungen in weiblich dominierten Arbeitsfeldern zu verbessern. Angesichts der aktuellen Impfpolitik in der Steiermark und der damit verbundenen Zurückreihung von Personen in Sozial- und Gesundheitsberufen ist das ein bitteres Signal. Ein Signal, das (mangelnde) Wertigkeit ausdrückt. Dabei sind es Personen bzw. Berufsgruppen, die gerade in der Pandemie einen ganz wesentlichen Beitrag leisten, die massiven psychosozialen Folgen der Krise abzufangen.


Sonntag, 21. März 2021

Gedanken zur pandemischen Gesellschaft, Teil 2

Unlängst hat mir ein Facebook-"Freund" im Zuge einer Diskussion ein Zitat von Helmut Schmidt gepostet: "In der Krise beweist sich der Charakter". Dabei war klar, dass ich bei dieser Charaktervermessung nicht besonders gut wegkomme. Aber ist das tatsächlich so, dass sich in der Krise der Charakter beweist? Ja, in Krisensituationen fallen wir wohl alle mehr oder weniger auf frühere Erlebens- und Verarbeitungsmechanismen zurück. Und ja, manche Menschen erleben in der aktuellen pandemischen Situation mehr Angst, mehr Wut, mehr Ohnmacht, mehr Neid und mehr Paranoia. Aber sind sie deshalb schlechtere Menschen? Ich denke nein. Eine Krise sollte nicht zur moralischen Hierarchiebildung benutzt werden.
 
Mancherorts taucht nun die Frage auf bzw. entwickelt sich eine Diskussion, ob es OK ist, seinen Impftermin bzw. die erfolgte Impfung freudig zu posten. Die hippe, intellektuelle Variante ist ja derzeit: 'Per aspera ad astra Zeneca'. Das kommt wohl, so zumindest mein Mutmaßung, von der Fernsehserie 'Star Trek'. Lustig finde ich nur, dass 'Per aspera ad astra' gleichzeitig auch der Wahl- bzw. Leitspruch zahlreicher Burschenschaften und Studentenverbindungen ist.
 
Gleich vorweg: Natürlich ist es OK, über die eigene Impfung zu posten, seiner Freude und Aufregung nach der ganzen Mühsal Ausdruck zu verleihen. Aber: Ich werde meine Impfung, wann immer ich sie erhalten werde, ganz bewusst nicht posten. Für einen Teil der Menschen ist es sehr zermürbend, immer wieder davon zu lesen, während man selbst oder die Eltern warten. Viele betagte Menschen sind noch nicht geimpft, ebenso viele Sozialarbeiter*innen, Psychotherapeut*innen, Physiotherapeut*innen etc. im nicht-stationären Bereich, obwohl sie viel persönlichen Kontakt zur vulnerablen Zielgruppe haben.
 
Vor allem: Dieses Geschehen der Vorreihung und Rückreihung beim Impfen kann tiefere Lebensthemen von Menschen berühren: Andere wurden bevorzugt, vorgezogen, mehr gehört, mehr gesehen, sind mehr wert. Diese Themen und Verletzlichkeiten haben an sich nichts mit dem Impfen zu tun, aber die zuvor vielleicht verborgenen Gefühle werden durch die momentane Impfdynamik aktualisiert.

Gedanken zur pandemischen Gesellschaft, Teil 1

Ich komme immer mehr zur Einschätzung, dass es normal, ja gesund ist, in dieser aktuellen Situation depressiv, angsterfüllt und/oder aggressiv zu werden. Eine normale Reaktion auf eine außergewöhnliche, belastende Situation.
 
Die massive Einschränkung von (Körper-)Kontakt und Beziehung, von Berühren und Berühren-lassen, von Umarmung, von Gehalten werden, von einem gedankenlosen Fallenlassen. Das sind basale Bedürfnisse. Ein fremder Virus, der auch in der vertrautesten, am nächsten stehenden Person lauern kann.

Eingriffe in das menschliche Leben, Gesetze, Verordnungen, die kaum nachvollziehbar sind, über die Köpfe hinweg, eine chaotische Impfstrategie, ein Spiel mit der Hoffnung, ein gravierendes Fehlen an Containment, also ein Mangel, mental sowie strukturell Halt und Orientierung zu geben...
 
Die pragmatischen Weiter-Funktionierer, die all das schlucken und sich anpassen, SIE sind "ein der Aufklärung bedürftiges Problem und keine Selbstverständlichkeit", um mit Sigmund Freud zu schließen.

Zitate zur Pandemie

"und all jene, die begriffen, dass die Maske, die sie sich aufsetzten, schon immer dagewesen war - ganz natürlich, und als sie dann abfiel, erkannten sie erschrocken, dass sie nach (echten oder phantasierten) Wegen suchten, sich zu bewaffnen."

Joseph Triest. Das Virus des Schreckens. Notizen zur Coronazeit

Zitate zur Pandemie

„Der psychologische Angriff des Virus findet in mehreren Etappen statt. Zuerst einmal hemmt es die ganz grundlegende Kampf-oder-Flucht-Reaktion, die eine große Gruppe Menschen, die von etwas bedroht wird, dazu bringt zusammenzukommen, in dem Versuch, das Böse draußen zu halten und (wie illusorisch das auch sein mag) Trost in der sicheren Umarmung der Gruppe zu finden.“

Joseph Triest, Der Virus des Schreckens, Notizen zur Coronazeit

Samstag, 15. Dezember 2018

Neue Helden – alte Helden. Buchpräsentation und Podiumsgespräch.

Neue Helden – alte Helden.


Am Do., 10.01.2019 nehme ich an einem spannenden Podiumsgespräch im Literaturhaus Graz teil.

>> Zur Veranstaltung


(c) Literaturhaus Graz
 

Sonntag, 25. November 2018

Audiomitschnitt Vortrag Sigmund-Freud-Vorlesungen 2017

»Die Herstellung des dritten Raumes. Psychoanalytische Perspektiven auf die Arbeit mit jungen Männern aus 'Ehrenkulturen'«

Mein Vortrag im Rahmen der Sigmund-Freud-Vorlesungen 2017 wurde nun als Audiomitschnitt veröffentlicht: Zum Vortrag

#Ethnopsychoanalyse #EthnopsychoanalytischeSozialarbeit




Gedanken zur pandemischen Gesellschaft, Teil 3. Hat die COVID-Impfung in der Steiermark ein Geschlecht?

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